Über das Bäume-pflanzen schrieb ich ja schon in Teil 1, hier geht es weiter:
Im März kann man einen Hauch Magenta über Wälder und Wiesen erkennen, wenn das Licht günstig ist.
Ein Hauch von Morgenröte in der Schöpferstunde des Jahres
(frei nach einem Lied von Herrmann Claudius)
Doch was wird aus dem Hauch, wenn die Landschaft kurz vor der "schönen scheuen Schöpfer-stunde" kahl rasiert worden ist?
Im September 2017 habe ich schon einmal über den „Hauch über den Dingen“ (Christian Morgenstern) angefangen zu schreiben.
„Der Zeitgeist geht seinen Weg“, sagt ein 92 jähriger Mann wenn ich ihn, dreimal die Woche, an der Arbeit treffe. Welcher Geist war denn hier am Werk, der die Bewohner des Hauses an einer der meistbefahrenen Straße in Fulda dazu bewogen hat, die Bäume
und Sträucher zu entfernen? Immerhin noch vor dem 1.März, denn ab dann sind Rückschnittmaßnahmen ja verboten, aus Rücksicht auf die brütenden Vögel. Die haben wohl in diesem Fall, wie in unzähligen anderen auch, das Nachsehen. Mich geht das nichts an, das ist Privatsache der Bewohner, doch ich frage mich trotzdem, warum das Grün komplett weg musste.
Ist der freie Blick auf die Stauentwicklung im
Feierabendverkehr so wertvoll, dass der gesamte Bewuchs geopfert wird ?
Ja, ich weiß, an dieser Stelle bekomme ich regelmäßig die Sinnhaftigkeit der Praxis des „Auf Stock-Schneidens“ erklärt, die ja immer eine grandiose Verjüngung bewirken soll.
Leider ist von dieser Verjüngung, also durch die enormen „Wachstumsimpulse“
des „Auf Stock-Schneidens“ in den von mir über Jahre beobachteten Gärten nichts zu bemerken (auch nicht bei dem oben gezeigten Areal) außer dass allmählich das gesamte Grün abgeschafft und immer öfter durch Steine ersetzt wird.
Ich habe darüber nachgedacht, warum ich Jahr für Jahr, genaugenommen, seit dem ich im „Westen“ wohne, darüber schreibe, wie sehr mich diese, meiner Meinung nach, extreme Rückschnittmaß-nahmen stören. Vielleicht liegt es daran, dass ich von der Ökologiebewegung der 1980iger Jahre stark geprägt wurde. Weitere Einflüsse kamen dazu, zum Beispiel der konziliare Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Mir erschien es immer richtig und völlig logisch, Bäume und Sträucher gezielt dort anzupflanzen, wo die Luft am meisten verschmutzt wird-zum Beispiel an stark befahrenen Straßen und an Autobahnen. Während meiner letzten längeren Autofahrt Anfang März diesen Jahres für ich die gleiche Strecke in Richtung Südosten wie vor drei Jahren. Damals wurden gerade großflächig Böschungen kahl geschnitten-oder Rohstoffe geerntet? Mein Weg führte ja auch an riesigen Holz verarbeitenden Industrieanlagen vorbei. Als ich nun die gleiche Strecke fuhr, sah ich, dass nicht nur die inzwischen nachgewachsenen Büsche wiederum zur Hälfte komplett abrasiert waren, sondern auch nahezu alle Auffahrten, Kreiselflächen, Korridore entlang der Wildzäune- also alles was Äste und Ästchen hat- weg. Vergessen, was die Bedeutung von Emissionsschutz ist? Lebensräume für Tiere? Gähnen. Klimawandel. Während der Autofahrt hat man gewöhnlich Zeit, nachzudenken. Ich überlegte, wie wohl eine größere, effektivere Maschine aussehen könnte, welche die gesamte Landschaft wegzurasieren imstande wäre. Also, die Entwicklung geht doch immer weiter und Erschließung und Wirtschaftswachstum gelten ja immer noch als erst mal grundlegend gut. Ich beschloss, eine Zeichnung anzufertigen. Doch als ich zu Hause war, entdeckte ich, dass ich mir meine dilettantischen Zeichenversuche sparen konnte: Ich fand genau die Zeichnung, die meinen Vorstellungen entsprach:
"Erschließung" von A.Paul Weber aus dem Jahr 1978. Diese Zeichnung fiel mir zufällig in die Hände, ohne dass ich aktiv danach gesucht habe.
Diese Zeichnung wiederum erinnerte mich an die Fachtagung „Eine grüne Reformation!? Aufbrüche, Ökologischer Theologie in der planetarischen Krise“ im letzten Jahr in der evangelischen Akademie in Hofgeismar und an die Worte von Prof. Larry Rassmussen als er über die ökologische Reformation sprach:
„Im tiefsten Sinn bedeutet sein Leben töten“
sagt Bonhoeffer über die Europäer.
Die westliche Zivilisation, in ihrem tiefsten Bewusstsein und ihrer Lebenspraxis, abgeschnitten vom Rest der Natur, zerstört natürliche und menschliche Gemeinschaften durch die Ausübung kollektiver Macht, die wenig spirituelle und moralische Barrieren kennt.
Das ist eine Beherrschung, die keine Grenzen kennt, so wie sie der autonome Mensch im Namen von Freiheit ohne Beschränkungen ausübt. All das wusste Bonhoeffer schon vor 1932"
Professor Larry Rassmussen beendete seine Vorlesung mit einem Gedicht von Maya Angelou:
We, this people, on a small and lonely planet
Traveling through casual space
Past aloof stars, across the way of indifferent suns
To a destination where all signs tell us
It is possible and imperative that we learn
A brave and startling truth
And when we come to it
To the day of peacemaking
When we release our fingers
From fists of hostility
And allow the pure air to cool our palms
When we come to it
When the curtain falls on the minstrel show of hate
And faces sooted with scorn are scrubbed clean
When battlefields and coliseum
No longer rake our unique and particular sons and daughters
Up with the bruised and bloody grass
To lie in identical plots in foreign soil
When the rapacious storming of the churches
The screaming racket in the temples have ceased
When the pennants are waving gaily
When the banners of the world tremble
Stoutly in the good, clean breeze
When we come to it
When we let the rifles fall from our shoulders
And children dress their dolls in flags of truce
When land mines of death have been removed
And the aged can walk into evenings of peace
When religious ritual is not perfumed
By the incense of burning flesh
And childhood dreams are not kicked awake
By nightmares of abuse
When we come to it
Then we will confess that not the Pyramids
With their stones set in mysterious perfection
Nor the Gardens of Babylon
Hanging as eternal beauty
In our collective memory
Not the Grand Canyon
Kindled into delicious color
By Western sunsets
Nor the Danube, flowing its blue soul into Europe
Not the sacred peak of Mount Fuji
Stretching to the Rising Sun
Neither Father Amazon nor Mother Mississippi who, without
favor,
Nurture all creatures in the depths and on the shores
These are not the only wonders of the world
When we come to it
We, this people, on this minuscule and kithless globe
Who reach daily for the bomb, the blade and the dagger
Yet who petition in the dark for tokens of peace
We, this people on this mote of matter
In whose mouths abide cankerous words
Which challenge our very existence
Yet out of those same mouths
Come songs of such exquisite sweetness
That the heart falters in its labor
And the body is quieted into awe
We, this people, on this small and drifting planet
Whose hands can strike with such abandon
That in a twinkling, life is sapped from the living
Yet those same hands can touch with such healing,
irresistible tenderness
That the haughty neck is happy to bow
And the proud back is glad to bend
Out of such chaos, of such contradiction
We learn that we are neither devils nor divines
When we come to it
We, this people, on this wayward, floating body
Created on this earth, of this earth
Have the power to fashion for this earth
A climate where every man and every woman
Can live freely without sanctimonious piety
Without crippling fear
When we come to it
We must confess that we are the possible
We are the miraculous, the true wonder of this world
That is when, and only when
We come to it.
Mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen.
Doch, es gibt noch etwas zu sagen, nämlich: Es geht auch
anders! Hier werden zum Beispiel Bäume gepflanzt: In der Nähe von Eisenach, in Ifta gibt es das Baumkreuz. Hier ist ein langer Atem gefragt, doch wer weiß wie weit sich das Baumkreuz noch vergrößern wird. Josef Beuys lässt grüßen! So kann sich der Kreis zum Anfang meines Textes schließen: Der „Hauch über den Dingen“, er ist kein Schicksal, sondern ich kann bestimmen, von welchem Geist ich mich inspirieren und berühren lasse- und du auch und du und du und du…
Bitte lesen Sie weiter in Teil 3....
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