Einen schönen bunten Kunstkalender hatte ich mir für meine geplante Einzel-betreuung ausgesucht, denn ich wusste über den bett-lägerigen Mann, dass er gerne malt, alles Bunte, Schöne und Fröhliche mag und gerne Bücher anschaut. Früher hat er in einer Caritas-Werkstatt gearbeitet, doch erzählen kann er davon nicht, denn sprachlich kann er sich so gut wie gar nicht ausdrücken, wohl aber sehr gut mit Mimik und Gestik.
Bei den letzten Besuchen haben wir gemalt und gepuzzelt, so dachte ich, dass wir uns diesmal Bilder anschauen und hoffte, dies würde ihm gefallen.
Kaum hatte ich ihm, nach der überaus freundlichen Begrüßung, den Kalender gezeigt, nahm er ihn in die Hand und studierte mit freudigem und konzentriertem Gesichtsausdruck die Zahlenleiste. Das dauerte eine ganze Weile. Ich saß daneben und wunderte mich, warum er nicht wenigstens einen Augenblick lang auf das Bild schaute. Zählte er jetzt die Tage nach? Ich schaute also ziemlich ratlos zu, wie er eifrig und mit sichtlicher freudiger Erregung die Zahlenreihe mit seinen Blicken abtastete, mit dem Finger nachfuhr und endlich auf eine Zahl tippte, sie mir zeigte und lachte. Der fünfundzwanzigste! Er hatte die ganze Zeit die Zahl 25 gesucht und nun gefunden-sein Geburtstag! Nun freute er sich und teilte mir diese glückliche Entdeckung mit. Ach wie schön, nun hatte ich einen Ansatzpunkt. Wir redeten eine Weile über Geburtstag, d.h. ich redete, er nickte entweder oder schaute nicht so ganz zustimmend drein. Ich fragte ihn, ob wir den Tag nicht bunt markieren sollten?
Ja, das wollte er! Also nahm ich einen roten Buntstift und machte ein rotes Herz um die 25. Als sich seine große Freude zu einem glückseligen Lächeln erschöpft hatte und unser „Gespräch“ zu versiegen drohte, versuchte ich noch einmal, auf die Bilder des Kalenders zu verweisen und blätterte um. Nach einem flüchtigen Blick auf das Bild wiederholte sich nun der Vorgang von eben: Er widmete sich mit voller Konzentration und freudiger Hingabe der Zahlenreihe. Es kostete ihn schon viel Mühe und Zeit, doch schließlich, als er fand, was er suchte, war die Freude bei der Entdeckung der 25 nicht minder groß als beim ersten Mal und wieder bekam die Zahl eine herzförmige Umrandung. Nun hatte ich begriffen, wo es langgeht!
Am Ende, als der Kalender um 12 rote Herzen reicher war, lächelten wir uns noch eine Weile an und verabschiedeten uns.
Kommentar schreiben
Ekin (Freitag, 27 September 2019 08:12)
Liebe Tina,
feiert der Herr auch seinen Monatsgeburtstag?
Oder gab es noch was anderes, was ihn an der 25 freut?
Das möchte ich ja gerne wissen :)
LG
N