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Wo spaziert der Tod durch euer Bild?

Mit diesem Artikel bin ich der Einladung von Petra Schuseil und Annegret Zander gefolgt, bei ihrer diesjährigen Blogaktion im Totenhemdblog zur Passionszeit mitzumachen und zu erzählen:

Wo spaziert der Tod durch euer Bild?

„Ich erinnere mich, als ich ein Kind war und es ist jemand im Dorf gestorben, dann sind wir alle hingelaufen. Auch wir Kinder. Die Türen waren nicht abgeschlossen, niemand hatte damals sein Haus verschlossen. Wollte man jemanden besuchen, ging man einfach hin, klopfte an und trat herein. Ja, und wenn jemand gestorben war, klopfte man natürlich nicht an. Wir drückten dann die Türklinke vorsichtig, um leise zu sein. War ja schon etwas Besonderes für uns, einen Toten zu sehen. Drei Tage lang lag der oder die Verstorbene dann aufgebahrt im Haus, Zeit genug für jeden, noch einmal zu kommen und Abschied zu nehmen. Danach ging es zum Friedhof, mit Pferdewagen.

Dann sind auch wieder alle mit. Der Tod war für uns Kinder etwas selbstverständliches- ich habe so viele Tote gesehen, ja, eben alle Leute, die in der Zeit während ich dort wohnte, gestorben sind.

Daran erinnere ich mich manchmal.“

Diese Erinnerung ist nicht meine, sie wurde mir von einer Bekannten erzählt.

 Ich selbst habe überhaupt noch keinen Toten gesehen.

Als Kind wurde ich zu Beerdigungen nicht mitgenommen.

Meine Erfahrungen mit dem Tod, oder zumindest mit Toten, sind komplett anders, vielleicht, weil ich etwa 20 Jahre jünger bin und woanders aufwuchs.  In meinem persönlichen Umfeld wurde stets versucht, den Tod vom Leben fernzuhalten. Heute neige ich dazu, diesen Umstand als Kulturlosigkeit zu bezeichnen.

Hank Ma:  Teenage Mind But Old Age Body
Hank Ma: Teenage Mind But Old Age Body

 „Gehört der Tod zum Leben, was meinen Sie?“, fragte mich neulich eine Bewohnerin des Altersheimes, in dem ich arbeite. Ja, eigentlich spaziert er öfters durch meinen Alltag als mir lieb ist. Ein leerer Platz vor dem mit Farben und Papier gedeckten Tisch- das ist für mich in letzter Zeit das häufigste Bild für den Tod, dessen Präsenz sich dann gerade auf diesem leeren Stuhl unangenehm breit macht. Manchmal stelle ich ein paar Blumen auf den leeren Platz oder das letzte Bild von dem Menschen, der bis vor kurzem dort so oft saß und nun nicht mehr in die Malgruppe kommt, weil er verstorben ist. Dann gebe ich die Mappe mit den Bildern den Angehörigen. Wenn keine Angehörigen da sind, klebe ich ein neues Namensschild auf die Mappe und lege die Bilder auf einen Stapel, der schon ziemlich groß ist. So ist das im Altersheim. Ich wünschte, ich hätte eine Idee, was ich mit den ganzen Bildern anfangen soll.

Ein paar Tage nachdem ich von der Blog-Aktion erfahren und darüber nachgedacht hatte, fiel mir dieses Bild auf, rein zufällig, es ist mir also zugefallen: ein Selbstbildnis von Hank Ma, einem Künstler aus Taipeh,Taiwan der sich „jung fühlt“ und den Schatten des Todes hinter sich nicht wahrzunehmen scheint.

Der Tod als Schatten ist ein gutes Bild:

Gehe ich der Sonne am Morgen entgegen, schert mich der Schatten hinter mir wenig.

Ich bin jung und der Tag ist frisch. Steht die Sonne direkt über mir, gibt es keinen Schatten. Ja, abends sind die Schatten dann schon sehr lang. Vorausgesetzt ich wäre den ganzen Tag immer nur geradeaus gelaufen, hätte ich den Schatten nun vor mir, immer länger werdend bis alles in Dunkelheit versinkt.

Das nächste, zufällige Bild war die Illustration einer Freundin zu einer Geschichte Franz Kafkas.

Mich hat diese kleine Geschichte immer sehr beeindruckt, obwohl ich weiß, dass es sooo einfach nicht ist. Um die Laufrichtung zu ändern, muss die kleine Maus muss ganz schön mutig sein, und flink dazu. Sie darf sich von ihrer Angst auf keinen Fall lähmen lassen und gut wäre es auf jeden Fall, ein paar unerschrockene Helfer im Umfeld zu haben. Und ein bisschen Glück. Vielleicht geht irgendwo eine Tür auf und jemand sagt: „Komm, husch schnell herein!“ Und wusch, der Katze die Tür vor der Nase zugeknallt.

Der Gevatter ist also immer im Bild, ob ich ihn nun gerade sehe oder nicht. Also kann ich mich ebenso mit ihm versöhnen, mich an seine Gesellschaft gewöhnen. Es klingt banal, ist aber so:

Das Licht ist stärker als jeder Schatten, denn ohne Licht gibt es keinen Schatten. Ohne menschliche Destruktivität ist das Verhältnis meistens wohl ausgewogen.

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Kommentare: 4
  • #1

    Petra (Mittwoch, 04 März 2020 08:53)

    Liebe Martina, mir gefällt sehr was du schreibst. Ja, früher, in den Dörfern war alles anders und enger beieinander wenn es um den Tod ging. Da hast du eine schöne Erinnerung gehört. Das war hier im Dorf Richterswil auch so. Alle wussten, wer gestorben ist und man ging hin.

    Bilder, die von alten Menschen gemalt wurden, und die du weitergeben kannst - das ist sicher sehr tröstlich für die Nachkommen. Die, die du auf dem Stapel hast, sind ein Schatz. Vielleicht kommt noch eine gute Idee, was du damit machen willst.

    Deine Gedanken und Überlegungen zum Schatten des Todes sind interessant.
    Weiter so! Ich freue mich, dass Du uns deinen Artikel geschenkt hast zur Blogaktion. Herzliche Grüße. Petra

  • #2

    schreibenwaermt.wordpress.com (Mittwoch, 04 März 2020 09:09)

    Den Tod auszublenden und vor allem Kinder von ihm fern zu halten ist eine Entwicklung, die ich auch in meiner Kindheit in den siebziger Jahren erleben musste. Mein Urgroßvater starb und war einfach weg. Eine Beerdigung wollte man uns Kindern nicht zumuten. Heute empfinde ich das als Zumutung und versuche es mit meinen Kindern besser zu machen. Es muss die Möglichkeit geschaffen werden Abschied zu nehmen. Vergänglichkeit und Leid ist in unseren moderen virtuellen Selfie- und Smiley Gesellschaft nicht gerne gesehen. Sie ist aber trotz Verdrängung da und trifft die Betroffenen dann nur um so stärker.

  • #3

    Anna-Lena (Mittwoch, 04 März 2020 10:04)

    Ich habe das 'Glück' so aufgewachsen zu sein, dass ich auch verstorbene Verwandte (und da gab es in der Familie meines Vaters viele) selbst noch im Sarg liegen sah. Meine Oma, schwer an Krebs gestorben) war so gut zurecht gemacht, dass ich als 7-jähriges Kind am Sarg stand und glaubte, die Oma schläft nur. Ich wurde gut vorbereitet und habe auch an fast allen Beerdigungen teilgenommen.
    Und Kinder sollen Abschied nehmen dürfen. Wichtig ist eine sensible Hinführung darauf, was sie erwartet.
    Auch wenn der Tod vielfach noch ein Tabu ist und viele nicht darüber reden wollen, ist eine Auseinandersetzung damit ungeheuer wichtig, denn eines ist klar: wir alle werden diesen Weg gehen.

    Lieben Gruß,
    Anna-Lena

  • #4

    Annegret Zander (Samstag, 07 März 2020)

    Liebe Martina, "In meinem persönlichen Umfeld wurde stets versucht, den Tod vom Leben fernzuhalten. Heute neige ich dazu, diesen Umstand als Kulturlosigkeit zu bezeichnen." Dieser Satz ist für mich eine echte Erleuchtung! Danke dir sehr für deine Gedanken! Ich finde deinen Umgang mit den Bildern der Verstorbenen ja ganz wunderbar. Die kreativen Spuren, die sie hinterlassen haben, auf diese Weise zu ehren, rührt mich sehr an.
    Danke dir sehr fürs mitmachen bei unserer Blogaktion!
    Liebe Grüße
    Annegret