Am Anfang des Jahres 2022 plane ich mit einigen anderen interessierten Menschen Kleidertauschparties: Alle zur gleichen Zeit während der Fashion Revolution Week Ende April, doch an unterschiedlichen Orten. Ich bin gespannt, was daraus wird und habe im Schwung meiner Begeisterung gleich noch einen Workshop entwickelt, weil ich mir sicher bin, dass mich das Thema auch weiterhin beschäftigen wird. Doch zunächst möchte ich einmal zurückblicken, auf ein paar wesentliche Eindrücke aus den letzten drei Jahren.
Nachdem ich die Ausstellung „TUWAYE- LET’S TALK, Kunst und weibliche Selbstermächtigung, mit den Werken der Künstlerin Hellen Nabukenya in der Kunsthalle Erfurt mit all meinen Sinnen erlebt hatte, verstand ich, was mit dem Titel gemeint war.
Hellen Nabukenya (geb. 1983 in Jinja, Uganda) erschafft eine farbenfrohe, berauschend schöne Kunst. Die am Entstehungsprozess beteiligten Frauen bekommen durch ihre Arbeit die ansonsten eher seltene Gelegenheit, handwerkliche Fähigkeiten zu erlernen. Gewappnet mit diesen Fähigkeiten sind sie erstmalig in der Lage, eigenständig Geld zu verdienen.Für die Frauen bedeutet dies ein wesentlicher Schritt in eine bessere Zukunft. Ich staune und bin sehr berührt- ist doch das Nähen für mich nur Spielerei und Entspannung!
Und dennoch fühle ich mich mit den Frauen sehr verbunden, denn auch ich hatte das Glück, dass mir jemand das Nähen beigebracht hat-meine Großmutter. Ein Geschenk fürs Leben!
Kleider in Bewegung war der Titel einer Ausstellung, die ich in Frankfurt/Main besucht habe. Den Reifrock konnte, wer wollte, anziehen, um zu spüren, wie sich durch das Tragen die eigenen Beweglichkeit und die Möglichkeiten der Bewegungen drastisch verändern- ein krasses Erlebnis! Mode war hier im historischen Kontext dargestellt,
die Geschichte der weiblichen Emanzipation wurde spürbar und der Weg von der industriellen Textilverarbeitung bis zur heutigen „fast-fashion“ aufgezeigt.
Den lokalen Spuren dieser Entwicklung habe ich in meinem Beitrag Ladenhüter nachgespürt.
Wenn auch die Zeiten längst vergangen sind, in denen die Stoffhändler durch Rhön und Vogelsberg zogen, um die heimischen Schneider zu versorgen, stehen doch die Begrifflichkeiten Kunst-Handwerk-Mode-Selbstbestimmung-Bewegung noch immer in enger Beziehung. Avantgardistische Spuren sehr kreativer „Frauen in Bewegung“ aus der Frauensiedlung Loheland gab es anlässlich des 100-jährigen Bauhaus-Jubiläums im Vonderau Museum in Fulda zu sehen. Sehr beeindruckend wurde dort aufgezeigt, wie diese Frauen, größtenteils Autodidaktinnen, sich die nötigen Grundlagen selbst aneigneten, dabei schnell professionelles Niveau erreichten und ganz im Sinn der damaligen Reformbewegung Möglichkeiten suchten, sich aus gesellschaftlichen Konventionen zu befreien, um selbstbestimmt und frei leben zu können. Im anthroposophischen Kontext der Loheland-Siedlung umfassten die Bemühungen, eine neue Generation Weib (Louise Langgard, 1926) zu generieren, sozio-kulturelle, ökonomische und ökologische Dimensionen.
Last but not least möchte ich auf Vivienne Westwood verweisen.
Die einstige Punk-Ikone und noch heute eine der erfolgreichsten und ungewöhnlichsten Modedesignerinnen der Moderne, beeindruckt mich durch ihre Art, ihre Power, ihre Kreativität und ihr Engagement: „Wir haben keine Wahl zwischen nachhaltiger Wirtschaft und Massensterben“, appelliert sie mit drastischen Worten.
Und so sitze ich zu Hause an meiner alten Nähmaschine, an der mir meine Großmutter vor 50 Jahren das Nähen beigebracht habe und rufe ebenfalls zur Revolution auf und fühle mich in bester Gesellschaft.
Lesen Sie bitte weiter in Fashion Revolution Teil 2.
Kommentar schreiben