"Kreist denn mein Vogel
nicht mehr über dem See?"
" Nein, er steht in der heißen Sonne und schläft. (aus : Regentrude, von T. Storm)
„Weh! So ist es hohe Zeit…“ antwortet die Regentrude und dann wird der Brunnen aufgeschlossen, die dicken Dunstwolken aus den Fenstern des Turms gescheucht, und es regnet endlich wieder auf der
Erde. In den letzten Tagen, habe ich oft an das Märchen gedacht, während ich dem Regen lauschte. Wie schön ist es, alles anzusehen, so frisch und grün.
Was ich im Frühjahr und Sommer an Wildblumenmischung gesät habe, scheint nun doch noch aufzugehen.Naja, in Wirklichkeit kann ich nicht erkennen, was da wächst.
Doch der Waldmeister, den ich versetzt habe, scheint angekommen zu sein. Den ganzen Sommer über war er nicht zu sehen.Im August waren die dominierenden Farben gelb und braun, inzwischen dem matten Grün der geschwächten Sträucher. Die gelben Blätter der Ahornesche lagen auf dem vertrocknetem Rasen-jetzt ist alles wieder grün!
Und so spaziere ich durch den Garten und freue mich an dem kurzen Intermezzo zwischen Sommer und Herbst. Ich entdecke die ersten Pilze, deren Namen ich leider nicht kenne. Ist das nicht traurig, die Gewächse in seinem unmittelbaren Lebensumfeld nicht zu kennen? Und niemanden zu kennen, der sich damit auskennt! Am sonnigsten Fleck im Garten, vor einer Hauswand, wächst eine Tomatenpflanze, die sich ihren Standort selbst gewählt hat. Ich weiß nicht, wo sie herkommt. Ich schenke ihr einen Ast zum Anlehnen, sie mir süße Früchte.
Dann meine Melde! Sie hat mich schon so oft überrascht und begeistert, weil sie sich ihre Standorte auch immer selbst auswählt und meinen Versuchen, sie in Ihrer Standortwahl zu beeinflussen, sehr launisch reagiert.
Das ist meine menschliche Sichtweise. Fest steht jedenfalls, dass sie an den Standorten,die sich die Pflanze selbst "ausgesucht" hat, am üppigsten wächst. Jegliche Formen des Zwanges in eine Beet-struktur sind jedoch zum Scheitern verurteilt. Das ist ein interessanter Aspekt in Bezug auf die Landwirtschaft, die ganz selbstverständlich als die höhere Stufe der Entwicklung als die Kultur des Sammelns und Jagens angesehen wird.
David Gräber und David Wengrow bringen in ihrem Buch „Anfänge- eine neue Geschichte der Menschheit" eben diesen Aspekt in den Vordergrund. Nicht nur die als alternativlos geltenden Vorzüge der Landwirtschaft werden hier , natürlich im Zeitraum der gesamten menschlichen Entwicklung, in Frage gestellt, sondern unser gesamtes Denksystem. Das ist sehr erfrischend und faszinierend, genauso wie die aufsprießenden Wildblumen unter meinen Füßen. Das schönste am Garten, sind u.a. eben diese Inspirationen:
Oft vom allerkleinsten ausgehend, bringen sie mich in Gedanken durch Zeit und Raum-grenzenlos. Hat nicht Albert Einstein gesagt, dass unser Kopf deswegen rund ist, damit wir in alle Richtungen denken können? Inmitten des Kreislaufs der Natur gelingt dies jedenfalls am besten.
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