Was haben Topflappen mit Erinnerungskultur zu tun? Manchmal sind Trauer und Abschied damit verbunden, hier berichte ich von eigenen(fröhlichen) Erfahrungen.
„Ich möchte gern die Topflappen haben“, sagte ich zu meinem Cousin als meine Tante ins Altenheim umziehen musste. Als sich nach einiger Zeit herausstellte, dass er mich mit meinem Topflappen Bedürfnis vergessen hat, bekam mein armer Cousin ein schlechtes Gewissen, was dazu führte, dass die alte Zither von meinem Großvater in meinen Besitz gelangte. Was für ein Schatz! Nie zuvor hätte ich das zu wünschen gewagt. Die Freude darüber lässt mein Herz höherschlagen, sooft ich sie betrachte. Da sie, mit neu aufgezogenen Saiten und frisch poliert an der Wand hängt, passiert dies also täglich. Doch das ist nur ein erfreulicher Aspekt in dieser Geschichte, mein eigentliches Thema dreht sich um die Tischdecken, Spitzendeckchen, Wandteppichen und Gardinen und sonstigen Textilien, die sich im Laufe des Lebens meiner Tante so angehäuft hatten.
Meinem Cousin muss ich zugutehalten, dass er die in seinen Augen wertvollsten Stücke schon mal aussortiert hat, obwohl ihm im Allgemeinen das Wegwerfen sehr leicht von der Hand geht. Übrig blieben also zwei große Säcke bestickter Tischdecken, Häkeldeckchen und Topflappen.Diese wollte er gern verschenken, für einen Wohltätigkeitsbasar oder ähnliches.
Da seine Kriterien, wem er diese Dinge überlassen würde, etwas eng gesteckt waren,
(Personen mit Migrationshintergrund z.B. schon mal gar nicht) und der Absatzmarkt für gebrauchte, wenn auch bestickte Tischdecken überschaubar ist, bekam ich die Säcke mit dem ungeliebten Inhalt nach zwei Jahren wieder angeboten und nahm diese dankbar an.
Zu Hause breitete ich erst einmal alles aus und betrachtete voller Staunen diese kunstvolle Landschaft. Wie viele Stunden Arbeit darin steckten, konnte ich nicht ermessen, wohl aber das Maß an Geduld, Genauigkeit, Geschick und ästhetischem Empfinden und der Liebe zum Detail.
Dann machte ich mich daran, den Inhalt nach verschiedenen Kriterien zu sortieren: Geknüpfte Teppiche mit bislang unbekanntem Verwendungszweck.
Tischdecken die ich selbst verwenden möchte, für was auch immer.
Verschiedene Deckchen und Stoffteile zur textilen Weiterverarbeitung.
Topflappen. (Ja, da waren sie doch noch alle!) Die Topflappen bekamen die Unterkategorien: als Spültuch zu verwenden, als Topflappen, Waschlappen oder bisher unbekannter Bestimmung (vielleicht zu einer Decke zusammennähen?)
Ein Teil davon sortiere ich aus Gründen meines persönlichen Geschmackes oder der haptischen Qualitäten des Garns aus. Dazu muss ich sagen, dass bemerkenswerter Weise die meisten Sachen, etwa 90 Prozent aus reinen Naturmaterialien bestehen: Leinen und Baumwolle.
Alles, was ich nicht behalten möchte, will ich auf einem kleinen Flohmarkt oder auf einer Geschenke- Plattform anbieten.
Am Ende hatte ich alles neu sortiert, kategorisiert und weggeräumt, doch meine Gedanken kreisen noch heute um all die kleinen und großen Kostbarkeiten. Unmodern sind sie, niemand will sie haben. Die Einheitsware großer Einrichtungshäuser hat die kleinen handgefertigten Dinge verdrängt. Das muss ich leider zur Kenntnis nehmen, ohne es ändern zu können, doch ich muss nicht jede Mode mitmachen. Mit neuen Augen nehme ich die Alltagsdinge um mich herum wahr. Allmählich wechsle ich neue Sachen, die beliebig und wertlos wirken aus gegen die alten. Ein besticktes weißes Leinen-Tischtuch ist ab jetzt Gardine. Nun kann ich mich täglich daran erfreuen.
Für ein Paar Topflappen habe ich sofort eine Verwandlungsidee: Im Handumdrehen werden sie zu Stulpen. Die weiche Wolle ist dafür wie gemacht. Und aus einigen Deckchen nähe ich Geschenkbeutel, eine Annäherung an die japanische Furoshiki- Idee. Ein Furoshiki ist eigentlich ein Tuch, mit dem etwas eingewickelt werden kann, zum Beispiel ein Geschenk. Meine Abwandlung ist ein Beutel, der ist einfacher zu handhaben und kann je nach Geschmack, mit verschiedenen (Geschenk) Bändern umwickelt werden.
Neben der Aufgabe , die Dinge zu verwandeln, umzuarbeiten oder weiterzugeben, gefällt mir der Gedanke, dass die Deckchen meiner Tante nun im hohen Alter auf Reisen gehen, denn ihre neue Bestimmung ist jetzt, weiterverschenkt zu werden. Ist es nicht schön, dass die langlebigen Dinge einfach unter uns bleiben? Nicht durch Worte, nein durch ihre Haptik und ihr Aussehen vermitteln sie uns etwas, dass sich nachzuspüren lohnt:
Sie fühlen sich gut an, schmiegsam und beständig ,und während ich darüberstreiche, träume mich ein bisschen hinein in die längst vergangenen Zeit als ich ein Kind und meine Tante jung war- ich habe schon einmal darüber geschrieben, in: „When I was young Teil 2“
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