„Ich empfehle allen, die sich für Klimaschutz in Fulda einsetzen möchten, morgen um 18:00 Uhr in den Marmorsaal des Stadtschlosses zu kommen. Es beginnt der Prozess für die Erstellung eines neuen Klimaschutzkonzeptes!“
Diese Empfehlung einer Bekannten nahm ich mir gerne zu Herzen, denn mich interessiert auch, was in meiner Stadt in punkto Klimaschutz so läuft. Immerhin gibt es das „Integrierte Klimaschutzkonzept“ schon seit 2013!
Ich war gespannt und saß also pünktlich um 18:00 Uhr im Marmorsaal, erwartete sämtliche Akteure der Zivilgesellschaft, die auf unterschiedlichste Art und Weise in Richtung „Nachhaltige Entwicklung“ unterwegs sind. Der Saal war halbleer-oder halbvoll.
Zwar braucht es, wie Daniel Schreiner mehrfach betonte, für den Klimaschutz alle Akteure und alle Menschen, doch leider war es nicht möglich, eine Einladung an die wichtigsten Akteure zu schicken, denn die Anzahl aller Akteure und Gruppierungen ist zu groß und damit auch die Gefahr, eventuell einen zu übersehen. Es wurde also niemand explizit eingeladen oder informiert und stattdessen die Veranstaltung lieber nur auf den „herkömmlichem Weg“ beworben. Ich hätte zumindest Vertreter der Hochschule Fulda erwartet, die ja immerhin schon im Jahr 2021 ein eigenes Klimaschutzkonzept erstellt hat oder das Bündnis Klima und Nachhaltigkeit oder die Arbeitsgemeinschaft der Naturschutzverbände, oder Vertreter der L14… Offensichtlich hatten die anderen Besucher ähnliche Erwartungen, denn die mangelhafte Kommunikation der Stadtverwaltung zu den Bürgern kristallisierte sich als Hauptkritikpunkt heraus.
Verwirrend war, jedenfalls für mich, die Darstellung der ehrgeizigen Pläne der Stadt Fulda. Herr Daniel Schreiner, Umweltdezernent und Stadtbaurat berichtete, dass Deutschland bis 2050 treibhausneutral werden will, die Stadt Fulda jedoch schon ab 2040.
War es nicht so, dass basierend auf den Festlegungen des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015 die Bundesregierung in Deutschland das Ziel festgelegt hat, „Treibhausgasneutralität bis 2045“ zu erreichen?
Und hat nicht die hessischen Landesregierung in 2009 beschlossen, Klimaneutralität bis 2030 zu erreichen? So ist es in der „Nachhaltigkeitsstrategie Hessen“ nachzulesen. Aber egal, die Zahlen werden ja immer mal „angepasst“. Ich habe nicht nachgefragt und sonst auch niemand.
Es gab wichtigere Fragen, zum Beispiel nach einer wie auch immer gearteten Bilanz der letzten 10 Jahre.
Doch wer, wie ich darauf gespannt war, musste sich mit der Information begnügen, dass die Erstellung einer Bilanz noch ansteht. Dieser Aufgabe wird sich im Rahmen eines einjährigen Projektes eine externe Agentur widmen, das „Büro COOPERATIVE Infrastruktur und Umwelt“.
Die Klimamanagerin der Stadt Fulda stand vor Beginn der Veranstaltung für ein gemeinsamen Foto in der Nähe des Rednerpultes. Ansonsten saß sie den ganzen Abend in der ersten Reihe, sie kam nicht zu Wort, das war offensichtlich nicht vorgesehen. Wer eventuell erhofft hatte, sie kennenzulernen oder etwas über ihre Arbeit zu erfahren, wurde wenigstens mit der Ansicht ihres Hinterkopfes vertröstet.
Aus dem Publikum kamen interessante Fragen, wie zum Beispiel:
Nach verpflichtende Vorgaben, hauptsächlich für Handel, Gewerbe und Industrie (Nein, sie sind eingeladen, selbst Vorschläge für freiwillige Maßnahmen einbringen)
Die Frage nach Tempolimit 30 km/h für die Innenstadt (wird es nicht geben)
Die Frage, was aus den Vorschlägen vergangener Treffen der letzten 10 Jahre geworden ist (Antwort war unklar und es wurde auf das Projekt verwiesen)
Frage nach der Transparenz des Projektes und der Modalitäten der Bürgerbeteiligung
(findet online statt)
Unabhängig davon, wie lange das Umwelt -Dezernat für die Bilanz seiner Arbeit der letzten 10 Jahre Klimamanagement noch braucht, ziehe ich für mich mein persönliches Fazit dieser in gewisser Weise besonderen „Auftaktveranstaltung“:
Herr Daniel Schreiner, Stadtbaurat in Fulda, erteilt gerne ungefragt Belehrungen über die Funktionsweise repräsentativer Demokratie. Nachfragen, die ihm unangenehm sind, wie „Tempo 30 in Innenstädten“ beantwortet er mit Hinweisen auf die Gesetzeslage.
Ist Paris etwa die Hauptstadt der Anarchie, weil dort das Tempolimit eingeführt werden konnte?
Die Klimamanagerin der Stadt Fulda arbeitet offensichtlich für das „Büro COOPERATIVE Infrastruktur und Umwelt“. So war zumindest mein Eindruck, den ich gerne revidieren würde.
Die Online-Beteiligung ist eine Verfahren, das Kinder und Jugendliche ausschließt. Die alten Menschen sowieso, so sehen jedenfalls die Erfahrungen aus meiner Lebenswelt. (In dem Seniorenheim, in dem ich arbeite, hat kein Bewohner Internet-Zugang und im privaten Umfeld sieht es nicht viel anders aus). Alte Menschen sind eine Personengruppe, die „versorgt werden müssen“, deren Ratschläge oder Meinungen sind nicht gefragt.
Doch wie war das mit den Kindern, geht es nicht genau um deren Zukunft?
Die geplanten Workshops des „Büro COOPERATIVE Infrastruktur und Umwelt“ haben das Ziel, mögliche Lösungsansätze zu erarbeiten. Nach Ablauf des Projektes wird von einer Jury ausgewählt, was weiterverfolgt werden soll, als was in der Stadt konkret getan werden wird? Ich bitte um Korrektur, falls ich hier etwas nicht richtig verstanden habe!
Abschließend möchte ich den Kommentar eines Bürgers zitieren, der sagte, wir sind dankbar für die Einladung, in diesem Prozess mitzuwirken und schauen erwartungsvoll auf die Bilanz, die noch kommen wird.
So gesehen hat die Auftaktveranstaltung erfüllt, was der verheißungsvolle Titel versprach, sie hat Vorfreude erweckt...
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Martin Uebelacker (Donnerstag, 25 Mai 2023 09:41)
Gute Zusammenfassung.
Jetzt kommt es daruf an, den Prozess mit guten Vorschlägen zu fluten und dranzubleiben, damit diese auf dem Tisch bleiben.
Spruch des Tages: "Tempo 30, da wos geht, dafür ist es nie zu spät!"
Eignet sich auch gut als Slogan für Demos...
Rod Williams (Donnerstag, 25 Mai 2023 13:10)
Danke, Martina!
wer sich am Konzept beteiligen möchte oder Voraschläge hat, kann sich bei Frau Luise Schmidt unter
cooperative@cooperative.de
melden.
Ein Versuch ist es wert, meine ich!
Eva Rausch (Donnerstag, 25 Mai 2023 14:42)
Liebe Martina,
danke für deine obige Zusammenfassung. Wie meistens tauchen wichtige Fragen erst nach so einer Konzeptvorstellung auf.
Für eine sehr wichtige Frage halte ich nach wie vor, wie binde ich so viele Menschen wie möglich ein??
Besonders junge Menschen und Kinder, aber auch ältere Menschen. Die älteren haben Zeit, Geld und auch Zugang zu Internet. Ich bin ja selbst in dieser Altersgruppe und sehe, dass Handys und Notebooks sehr wohl benutzt werden.
Die größte Herausforderung ist nach meiner Meinung, die Menschen zu motivieren. "An einer Stelle/ in einem Bereich anzufangen" und zu sehen "was ich tue macht Sinn".
Also das Gefühl etwas bewirken zu können. Neudeutsch genannt "Selbstwirksamkeit".
Ich fand es auch bedauerlich, dass die Klimamanagerin keine Gelegenheit hatte, ihr bisheriges Aufgabengebiet vorzustellen. Wahrscheinlich war dies eben nicht der geeignete Zeitpunkt dafür.
Mein Fazit: Die Größe, oder der Rahmen der Auftaktveranstaltung für das anspruchsvolle und komplexe Vorhaben "Künftiger Klimaschutz in Fulda" war zu klein.
Ich meine, es ist Aufgabe der Stadt viel stärkere Impulse für eine Bürgerbeteiligung zu setzen.