Dieser Artikel passt thematisch gut zwischen
und
Blühende Inseln der Begegnung,
in denen ich versuchte, zu beschreiben, warum man immer wieder neue Hoffnung schöpfen sollte.
Der Naturheilverein Fulda e. V. ist wahrscheinlich vielen in Fulda als Licht- und Luftbad bekannt. Schon seit seiner Gründung im Jahr 1905 trafen sich regelmäßig Menschen an der Fulda, um zu baden oder sich zu sonnen. Damals lag der Treffpunkt nah an der Frankfurter Straße in dem Bereich, der heute noch „am Badegarten“ heißt. Ab dem Jahr 1955 gibt es ein Gebäude auf der danebenliegenden Fulda-Insel. Seitdem nutzte der Verein die dahinterliegende naturbelassene Wiese zum Licht- und Luftbaden. In dieser Zeit wohnten viele Fuldaer in Wohnungen ohne Balkon oder Garten und freuten sich über eine Möglichkeit, draußen zu sein. Es wurde gemunkelt, dass auch ab und zu in freier Körperkultur in der Sonne gebadet wurde.
Heutzutage bietet der Naturheilverein Fulda e. V. ein Programm von informativen Vorträgen zu den unterschiedlichsten naturheilkundlichen Themen an. Alle Interessierten können teilnehmen. So werden die naturgemäßen Lebens- und Heilweisen gepflegt und gefördert. Der Verein ist der Ortsverein des Deutschen Naturheilbundes e. V. mit Sitz bei Pforzheim. Die Mitglieder bekommen monatlich die Zeitschrift „Der Naturarzt“ mit aktuellen Informationen zu Gesundheit und Gesellschaft. Der Verein ist gemeinnützig und finanziert sich ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden.
In Anbetracht der mittlerweile 118 Jahre währenden Geschichte des Naturheilvereins sowie seiner stetig wachsenden Gemeinschaft interessierter Menschen ist er aus Fulda nicht mehr wegzudenken.
Der jährlich stattfindende Kräuterspaziergang rund um das Vereinsgebäude illustriert gut die große Beliebtheit des Naturheilvereins und das wachsende Interesse an einer naturnahen Lebensweise. Das in seiner Schlichtheit bezaubernde Holzhaus, das Vereinsgebäude, ist von blühenden Kräuterrabatten umrahmt, die ihre Schönheit und Vielfalt durch Jahrzehnte währende liebevolle Pflege und Hege entwickelt haben. Die Wiese rings herum ist ein Stück unberührter Natur. Weit braucht hier niemand zu gehen, um Kräuter und Blumen zu finden. Die Vielfalt besticht, die Schönheit dieses abgeschiedenen Ortes berührt die Herzen vieler Menschen – ein Kleinod. Die großen Bäume, die am nahen Ufer der sanft fließenden Fulda stehen, rahmen die Wiese mit ihrem Blätterdach ein.
Doch damit ist jetzt Schluss. Das war einmal. Wer sehen möchte, wie es einmal aussah, muss sich durch Archive wühlen. Vielleicht die der Fuldaer Zeitung. Dort wurden, wie zuletzt 2021, sehr schöne Artikel mit wunderbaren Fotos veröffentlicht.
Doch wie sieht die Gegenwart aus? Das Vereinsgelände steht dem Naturheilverein nicht mehr zur Verfügung, denn es ist das „Grüne Klassenzimmer“ der Landesgartenschau Fulda. Kräuterrabatten und naturbelassene Wiese gibt es nicht mehr, nur noch gestaltete Rasenfläche. Unberührte Natur war gestern, heute werden Zugänge geschaffen. Barrierefreier Zugang zu nicht mehr existierender Natur. Die Sichtbarmachung ist ebenso wichtig wie die Zugänglichkeit, deshalb wurden viele große Bäume gefällt. Das ehemalige Gebäude des Naturheilvereins, nun inmitten des Landesgartenschaugeländes, ist von allen Seiten sichtbar. Um dieses Kleinod für alle verfügbar und zugänglich zu machen, wird es von einem Weg umrundet. Es drängt sich leicht der Vergleich zu einer Verkehrsinsel auf... Was wohl die nicht menschlichen Bewohner dieses Ortes sagen würden, fragt sich wohl nur derjenige, der diese noch kennengelernt hat.
Da gibt es zum Beispiel die Biber. Zu den zwei bewohnten Biberburgen direkt am Wasser wurde zwar viel Platz gelassen, doch die im Wasse liegenden Baumstämme und Äste wurden aus der Fulda entfernt. Ist eine solche „Unordnung“ den künftigen Besuchern nicht zumutbar? Die Bäume neben der Biberburg sind auch verschwunden. Ob den Bibern dieser Eingriff gefällt? Vielleicht sind sie schon auf und davon.
Der neue Treffpunkt des Naturheilvereins ist ab diesem Jahr das Umweltzentrum Fulda.
Dort wurden auch Hecken und Bäume entfernt, um bessere Zugänge zu schaffen. Die Landesgartenschau in Fulda bringt den frischen und modernen Geist.
Was bedeutet dieser moderne Geist?
Wer dem modernen Geist folgt, so beschreibt es der Soziologe Hartmut Rosa, der will die Welt ökonomisch und technisch verfügbar machen. Wissenschaftlich erkennbar und beherrschbar soll sie werden. Nicht zuletzt soll der Spagat gelingen, die Welt kontrollierbar und alltagspraktisch zu gestalten und für die Menschen soll sie erfahrbar sein. Diese neue, verfügbare Welt, so Hartmut Rosas Theorie, ist eine verstummte Welt, die der fortschreitenden Entfremdung von Mensch und Natur den Weg ebnet.
Das klingt jetzt sehr negativ. Hier geht es nicht darum, alles Neue abzulehnen oder die neuen Gestaltungen für die Landesgartenschau insgesamt zu kritisieren. Es gibt viele gute Absichten und bahnbrechende Innovationen, wie zum Beispiel das neue Konzept des Heimattiergartens als Tier-Begegnungsstätte.
Doch die hier aufgeführten Beobachtungen müssen Beachtung finden, denn die damit einhergehenden Kollateralschäden wirken gewaltig, ja, für den Naturheilverein nachhaltig im schlechtesten Sinn, denn seine Existenz steht auf dem Spiel. Die Obdachlosigkeit ist zwar durch die Nutzung der Räume im Umweltzentrum behoben, aber die Heimatlosigkeit besteht. Nach Ende der Landesgartenschau will die Stadt Fulda das ehemalige Vereinsgebäude anderweitig nutzen. Der Verein wird nie wieder auf dem Gelände des ehemaligen Licht- und Luftbads wirken. Und so schließt sich der Kreis, dass als Erinnerung der Name Badegarten an der Frankfurter Straße bleibt. Die Auslobung der Landesgartenschau als besonders nachhaltig kann auch bedeuten, dass nachhaltig entfernt wurde.
Martina Fuchs, Barbara Göttenauer
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