
Ein Gespräch mit einer Freundin geht mir nicht aus dem Sinn. Es ging um die kürzlich durchgeführten sogenannten „Pflegemaßnahmen“ des Grünflächenamtes rund um die Sturmiusschule und die benachbarte Kita „Miteinander-füreinander“. Das gesamte vorher begrünte Areal nun dem Erdboden gleichgemacht, kein Baum, Busch oder Halm blieb übrig.
Mich ärgert die Verschandelung meiner Stadt.
Und gerade für Kinder finde ich es wichtig, dass ihre Pausenräume von lebendigem Grün geprägt sind. (siehe: Bildungsauftrag vergessen)
„Hast du mal gefragt, warum? Vielleicht kann man dann verstehen, wieso die das gemacht haben“, wollte meine Freundin wissen. Diese Frage hat mich geärgert, denn ich bin die letzten zehn Jahren oder länger nicht müde geworden, zu fragen, mich zu äußern, und immer wieder zu versuchen, in Kontakt zu kommen.
Nein, diesmal habe ich nicht gefragt und habe auch nicht mehr vor, dies zu tun, denn die Gründe, die mir in der Vergangenheit genannt worden sind, reichen mir voll und ganz.
Sie sind alle nicht zufriedenstellend und deshalb nicht der Mühe wert, nochmal nachgefragt zu werden:
Aus Verkehrswege-Sicherheitsgründen
Zur Sicherheit „unserer Kinder“
Angst vor herabfallenden Ästen
Betriebsgelände
Schutz vor Einbrechern und sonstigen Banditen
Das ist Privateigentum/Sache des Investors
Angsträume dürfen gar nicht erst entstehen
Zur Schaffung von Fahrradwegen
Bebauung oder „Neugestaltung“
"Das ist alltägliche, ganz normale Praxis"
das war doch nur "Wildwuchs"
Aus energiepolitischen Gründen (Tesla-Werk)
Wegen Autobahnausbau
Bäume machen Dreck
Soziale Arbeit (Menschen sind wichtiger als Pflanzen- als könne man keine Arbeit kreieren, die beiden, also Natur und Mensch gerecht werden kann!

Während ich diesen Text schreibe, bekomme ich das erste Mal, wirklich das allererste Mal, eine Antwort, die anders ist und somit Hoffnung macht.
Nun, vielleicht macht es also doch noch Sinn, weiterhin nachzufragen, zu hinterfragen und jeden Versuch zu unternehmen, das offensichtlich not-wendige Umdenken weiter voranzutreiben. In diesem Fall ging es um Lichtverschmutzung auf dem Gelände des Klärwerkes in der Fulda-Aue.
Was es noch für Neuigkeiten gibt? Ein Reporter der Lokalzeitung ist an mich herangetreten, um mehr über das Büro für StadtverWALDung zu erfahren.
Ob sein Artikel schon veröffentlicht wurde, weiß ich nicht, wir werden es schon noch erfahren. Allein sein Interesse war sehr wohltuend. Und hiermit komme ich zum Ausgangspunkt zurück:
Die Voraussetzung dafür, die Beweggründe anderer zu verstehen ist die Bereitschaft zum Dialog, zum Zuhören, zum Verstehen. Die an mich gestellte Frage, ob ich zunächst nach den Gründen für den tabula-rasa-Wahn gefragt hätte, die wären doch wichtig, hat mich deshalb geärgert, weil es Grenzen gibt, auch für mich. Wir leben nicht im Rohstofflager oder im Legoland und Tabula Rasa ist kein Lebensprinzip, sondern das Gegenteil davon.
Technokratische Entscheidungen aus einem Verwaltungsapparat, der einem heute üblichen krassen Materialismus unterliegt, sind nicht mit
menschlichem Empfinden vereinbar.
Heute, wo die Regierung gerade dabei ist, unsere Zukunft in die Tonne zu klopfen, braucht sich angesichts dieses selbstmörderischen Kurses nicht über das Naturbild gewisser grauer Herren zu wundern, es ist das Abbild ihres seelischen Zustandes. Unsere Aufgabe sehe ich darin, „STOP“ und „NEIN“ zu rufen und zu versuchen, den Schaden zu begrenzen! Ja, und in diesem Zuge passiert es eben, dass man auf Menschen trifft, die sagen, die Grauen Herren bezahlen zwar meine Arbeit, aber was dieser Bürger sagt, ist auch richtig. Auch wenn die Tatsache nicht gerade populär ist: In jedem Augenblick unseres Lebens haben wir die Möglichkeiten, zu entscheiden, und wenn es nur darum geht, etwas stillschweigend mitzutragen oder selbst zu denken und zu hinterfragen.

Ich denke zum Beispiel, dass der Umgang mit der Natur den seelischen Zustand unserer Gesellschaft widerspiegelt. Der 18.März 2025 wird vielleicht als der Tag in die Geschichte eingehen, an dem in einer Art Staatsstreich das größte Rüstungsprogramm aller Zeiten beschlossen wurde. Whatever it takes.
Was das mit den „Pflegemaßnahmen“ zu tun hat? Das zu Grunde liegende Denkmuster der Hochrüstung: Wenn ich einmal Maschinen angeschafft habe, die Buschwerk in einem Husch abreißen und gleich zerhäckseln, schaffen diese viele Kilometer pro Einsatz. Was willst du denn da mit deiner Heckenschere, die Form und Gestalt der Pflanze wahrnehmend und abschätzend, dein Handeln in Gedanken schon darauf ausrichtend? Ich vermute, für die Stadt Fulda wurde vor ein paar Jahren auch ein Kran angeschafft, der es ermöglicht, Baumkronen zu schneiden. Somit ist es möglich, Bäume schonend zu kürzen, wenn die Höhe ein Problem wird. Naturgemäß ist ein solcher Einsatz eher selten, doch wenn ich so eine schöne Technik habe, will ich die auch einsetzen, oder? Seitdem sieht man, zumindest, wenn man den Blick hebt, im gesamten Stadtgebiet die verstümmelten Baumkronen, jedenfalls an den Bäumen, die noch nicht Jahr für Jahr komplett von Ästen „befreit“ werden wie z.B. die Platanen vom Arbeitsamt. Im Bäderpark wurden für die Landesgartenschau mehrere große alte Bäume komplett geköpft.
Zeitgeist, du verfolgst mich. Egal, auf welchen Wegen ich in Fulda unterwegs bin, das Grünflächenamt, Hessen mobil oder andere Einsatztruppen waren schon da und erinnern mich an den Psalm 139:
Zeitgeist,
Von allen Seiten umgibst du mich
deine tötende Hand greift nach mir.
Diese Erkenntnis ist mir zu furchtbar und zu hoch,
ich kann sie nicht begreifen.
Wohin soll ich gehen vor deinem Geist,
und wohin ich fliehen vor deinem Angesicht?
Führe ich gen Himmel, so bist du da;
Bettete ich mich bei den Toten, siehe so bist du auch da.
Nähme ich Flügel der Morgenröte
Und bliebe am äußersten Meer,
so würde auch dort deine Spur mich führen
und deine Äxte die Bäume da spalten.
Spräche ich: Finsternis möge mich decken
Und Nacht statt Licht um mich sein-
So wäre auch Finsternis nicht finster bei dir,
und die Nacht leuchtete wie der Tag.
Finsternis ist wie das Licht,
Straßenlampen erlauben Finsternis nicht.
Armseliger Skelette Schatten huschen vorbei,
beleuchten die Steppen der deutschen Mongolei.
Die Flächen sind frei, kein Busch ausgespart,
SUVs und Panzer haben freie Fahrt.
Dieser Tage jährt sich Erich Fromms Geburtstag zum 125igsten Mal. In „Anatomie der menschlichen Destruktivität“ beschreibt er bereits 1974 die nekrophile Prägung unserer Gesellschaft. Heute sind wir am Höhepunkt dieser grausigen Entwicklung angekommen. Ich bin umgeben von Menschen, die sich auf den Weg zur Umkehr gemacht haben, nach anderen gangbaren Wegen suchen und finden, Wege, die alles Leben schützen, bewahren und mit ihrem eigenen Leben in Einklang bringen, oder es zumindest versuchen, wo es geht.
ZEITGEIST, ADE!

Diesen sehr schönen Beitrag von Marianne Gronemeyer fand ich in der Jungen Welt vom 22.23.März
Ronald Rottenfußer hat sich ausführlich mit dem befasst, was ich hier "Zeitgeist" nenne. Hier ein Hinweis auf zwei sehr lesenswerte Artikel von ihm:
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